Die DOTG unterstützt ein Projekt zur Verbesserung der medizinischen Versorungslage in Osttimor, das auf Initiative des Arztes Dr. Everad Braganza aus Olpe enstanden ist. Anbei sein Erfahrungsbericht zur dritten Reise nach Osttimor im Frühjahr 2016.

Im Einsatz zur Verbesserung der medizinischen Versorgung – Bericht zur dritten Reise nach Timor-Leste

von Dr. Everard Vincent Braganza

Nachdem wir – mein Kollege Hubert Wäschenbach und ich – auf unseren ersten beiden Reisen nach Timor-Leste (für einen Bericht zur ersten Reise siehe DOTG-Newsletter 02/2016) im April und Oktober 2015 verschiedene Bereiche der medizinischen Versorgung identifizieren konnten, die mit relativ geringen Mitteln verbessert werden können, fuhren wir Ende April diesen Jahres erneut für drei Wochen nach Timor-Leste. Erneut wurden wir von Nelson Santos, dem ehemaligen Botschafter von Timor-Leste bei der Europäischen Union, unterstützt. Er verschaffte uns Wohnraum im Hause eines Verwandten und kümmerte sich persönlich um unser Wohlergehen.

Unsere Arbeit zielte insbesondere auf Verbesserungen im Bereich diagnostischer, therapeutischer und unterstützender Maßnahmen:

  1. Sonographiekurs

Im angelsächsischen Sprachraum wird die bildgebende Diagnostik wie zum Beispiel Röntgenaufnahmen und Computertomographie (CT) aber auch Sonographie gänzlich dem Facharzt für Radiologie überlassen. Im deutschsprachigen Raum wird jedoch schon seit mehr als 30 Jahren die Sonographie von jedem Spezialisten als Teil seiner Ausbildung erlernt. Die Sonographie ist schnell, billig, schadlos und von jedem in der Sonographie ausgebildeten Arzt (der, in der Regal auch seinen Patienten am besten kennt!) leicht durchzuführen.

Bild 9 - TeilnehmerBild 10 - Urkunde

 Abb. Stolze und erfolgreiche Kursteilnehmer, Urkunde für die erfolgreiche Teilnahme am Ultraschall-Grundkurs (Photo:
Hubert Wäschenbach)

 

 

 

Nach Ankündigung im Oktober 2015, boten wir einen Grundkurs in der Sonographie des Abdomens, Brustkorbs und Halses nach deutschem Muster an. Der Kurs wurde von neun Teilnehmern, darunter die leitenden Ärzte für Innere Medizin und Chirurgie im Hospital Nacional Guido Valdares (HNGV), sowie Ärzte der Bairo Pite Clinic (BPC) erfolgreich abgeschlossen. Wie wir nach unserer Rückkehr erfuhren, wird das Ultraschallgerät nun nicht nur in dem staatlichen Krankenhaus sondern auch in der BPC nahezu ständig von eifrigen und interessierten Kursteilnehmern genutzt.

Wir sind zuversichtlich, dass die Verbreitung von Sonographie nach deutschem Standard zu einer Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten und Minderung des Rufs nach teureren Untersuchungen wie z.B. CT führen wird, und planen weitere Grund- und anschließende Spezialistenkurse für 2017.

  1. Behandlung von Anaemie (Blutarmut)

Laut Angaben des letzten Global Burden of Disease Berichts von 2010 leidet etwa 40% der Bevölkerung in Timor-Leste an Mangelernährung. Am stärksten betroffen sind Frauen während und nach einer Schwangerschaft; dann ist Eisenmangel besonders häufig und schwächt den Organismus. Denn nicht nur die Mutter hat einen erhöhten Eisenbedarf: auch neugeborene Kinder, die in Timor-Leste nahezu immer gestillt werden, brauchen fast genauso viel Eisen wie die Mutter selbst. Die Verbesserung der Blutarmut bei der Mutter nach der Geburt eines Kindes kommt somit gleich zwei Personen zu Gute.

Eisen kann entweder oral über 6 Wochen oder auch mit einer ein- oder zwei-maligen Infusion verabreicht werden. Die intravenöse Gabe von Eisen ist teurer, aber auch sicherer, da Eisen als orales Präparat eine Reihe unangenehmer Nebenwirkungen mit sich bringen kann die häufig zu einem frühzeitigen Abbruch der Einnahme führt.

Mit der Unterstützung von Sponsoren, insbesondere dem Lions Club Olpe-Kurköln, konnten wir bislang 2000 Eisen-Infusionen kaufen und nach Timor-Leste bringen. Die Verabreichung erfolgt durch  Ärzte in der BPC und im HNGV. Die Behandlung wird sehr gut angenommen.

  1. Adjuvante Behandlung von Brustkrebs

Nach Vermutung von Brustkrebs erfolgt eine ausgiebige Diagnostik mit histologischer Beurteilung des Tumors, der benachbarten Lymphknoten und Feststellung von sogenannten Fernmetastasen. Erst dann, nach diesem so genannten Staging-Prozess, wird entschieden welche Behandlungsmodalitäten nach chirurgischer Entfernung des Tumors herangezogen werden sollten. Diese „helfenden“ oder adjuvanten Therapien verlängern die Lebensdauer und verbessern die Lebensqualität der betroffenen Patienten. Die adjuvanten Therapien schließen Chemotherapie, Radiotherapie, Anti-Hormontherapie, Physiotherapie und Psychotherapie u. a. ein.

In Timor-Leste stehen diese Therapien nicht zu Verfügung. Ein Pathologe aus Düsseldorf hat sich nun bereit erklärt, die Brustkrebs-Untersuchung für 100 Patienten aus TL zum „Materialpreis“ (nur die Kosten für die notwendigen Chemikalien werden berechnet) durchzuführen. Ein Frauenarzt aus Olpe wird bei der Beurteilung der Befunde kostenlos helfen. Die Kosten für die 100 Untersuchungen sind teilweise von Sponsoren abgedeckt.

Chirurgen in Timor-Leste werden die Proben entnehmen und mit der Unterstützung des Gesundheitsministeriums und sogar des Premierministers Dr. Rui Araujo, der selbst Mediziner ist, nach Deutschland versenden. Ziel der Maßnahme ist es festzustellen, ob bei dem Krebs Hormonrezeptoren vorliegen, sodass (vergleichsweise preisgünstige) Anti-Hormonbehandlungen durchgeführt werden können. Sponsoren für diese Medikamente werden noch gesucht. Falls dieses Projekt erfolgreich ist, dürfte es die erste adjuvante Behandlung von Brustkrebs in Timor-Leste darstellen.

  1. Weitere Maßnahmen

Während des Aufenthalts in Oktober 2015 war es möglich, zwei Patienten mit pulsierenden Schwellungen der Oberschenkel (Aneurysmata) erfolgreich zu behandeln. Diese Operationen werden ansonsten nur im Ausland durchgeführt. Die Eingriffe und die Umstände der Behandlung wurde bei der Jahrestagung der Royal Australasian College of Surgeons im australischen Brisbane am 6. Mai 2016 vorgestellt. Darüber hinaus wird ein Artikel in der Fachzeitschrift dieser Gesellschaft erscheinen. Vortrag und Artikel sollen helfen, die Aufmerksamkeit von Chirurgen aus Australien und Neuseeland  auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten zur chirurgischen Versorgung in Timor-Leste zu lenken.

Wie auch bei den vorherigen Besuchen wurden zudem  mehr als 110 kleinere Operationen in der BPC – oder, im Falle komplizierter Eingriffe – im HNGV durchgeführt. Wie auch bei den vorherigen Besuchen war das Personal sehr hilfreich und lernwillig. Leider konnten durch den Ausfall einer Sterilisationsanlage im HNGV vier Tage lang kaum eine Operation durchgeführt werden.

Die Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten in Timor-Leste durch Sonographie dürfte die wichtigste und nachhaltigste der obigen Maßnahmen gewesen sein. Darauf wollen wir auch in Zukunft aufbauen; weitere Besuche sind bereits in Planung. Dabei freuen wir uns sehr über die anhaltend große Unterstützung von Premierminister Araujo, dem Personal von BPC und HNGV sowie Nelson Santos. Zuletzt sicherte uns sogar der ehemalige Premierminister und Präsident des Landes, der Friedensnobelpreisträger, Dr. José Ramos-Horta, seine Unterstützung zu.

Dr. Everard Vincent Braganza ist Chefarzt der Gefäßchirurgie und Leiter des zertifizierten Gefäßzentrums im St. Martinus Hospital in Olpe (Sauerland). Kontakt: braganza@t-online.de

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Lesen Sie auch den Bericht vom 24. März 2017 zur Spende und Anlieferung eines Ultraschallgeräts:

Meeting with Dr. Braganza in Olpe, Germany